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Das Weihnachtsfest als Wahrzeichen des Sonnensieges
Auszug aus einem Vortrag in Berlin am 14.Dez. 1905

Versuchen Sie einmal nachzudenken, wieviele Menschen heute noch eine klare, etwas tiefergehende Vorstellung in ihrer
Seele wachzurufen verstehen, wenn Sie jetzt durch die Straßen schreiten und an allen Orten die Vorbereitungen zum
Weihnachtsfest sehen. Wie wenig Vorstellungen es über dieses Fest gibt und wie wenig sie entsprechen den Absichten
derer, die einstmals diese großen Feste als Wahrzeichen des Unendlichen und Unvergänglichen in der Welt eingesetzt
haben, davon kann man sich hinlänglich überzeugen, wenn man einen Blick in die sogenannten Weihnachtsbetrachtungen
unserer Zeitungen wirft. Etwas Trostloseres und zu gleicher Zeit dem, um was es sich handelt, Fremderes, kann es wohl
nicht geben als dasjenige, was durch das bedruckte Papier in dieser Zeit in die Welt hinausgeht.
Wenn wir unsere geisteswissenschaftliche Lebensauffassung zum Weihnachtsfest nicht als graue Theorie, nicht als äußeres
Bekenntnis, nicht als Philosophie, sondern als unmittelbar uns durchpulsierendes Leben selbst betrachten, dann können
unsere Herzen mit den  Goetheworten mitschwingen:
Natur, wir sind von ihr umgeben und umschlungen-unvermögend, aus ihr herauszutreten, und unvermögend, tiefer in sie
hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort,
bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen.
Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist, war noch nie, was war, kommt nicht wieder-alles ist neu und doch immer das
Alte.
Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir
wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie.
Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben und macht sich nichts aus den Individuen. Sie baut immer und
zerstört immer, und ihre Werkstätte ist unzugänglich usw….
Das ist die Stimmung, durch welche Goethe aus seinem Naturgefühl heraus wiederum etwas von dem aufzufrischen
suchte, was aus Gefühl und Erkenntnis zugleich herausfloß. Das ist die Stimmung in den Zeiten, in denen die Weisheit
selbst noch mit der Natur im Bunde lebte, in denen geschaffen wurden jene Wahrzeichen des Sich-Einsfühlens mit der
Natur und dem Universum, als die wir, vom geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkte ausgehend, die großen Feste
erkennen.
Etwas Abstraktes und Gleichgültiges ist für die Seele und für das Herz solch ein Fest geworden. Versuchen wir, unsere
Erkenntnis, die wir bestrebt waren in der Geisteswissenschaft uns anzueignen, zu gebrauchen, was die alten Weisen
ausdrückten in dem Weihnachtsfest, uns vor die Seele zu rücken.
Dieses Weihnachtsfest ist nicht bloß ein christliches Fest. Es hat es überall gegeben, wo religiöses Fühlen sich ausdrückte.
Wenn Sie sich umsehen im alten Ägypten, tausend und abertausend Jahre vor unserer Zeitrechnung, wenn Sie
hinübergehen nach Asien, auch wenn Sie heraufgehen in unsere Gegenden, wiederum lange Jahre vor unserer
Zeitrechnung, überall finden Sie dieses gleiche Fest in den Tagen, in denen auch die Geburt des Christus durch das
Christentum gefeiert wird.
Was war das für ein Fest, das überall auf der Erde seit uralten Zeiten, in diesen Tagen gefeiert wurde?
Auf nichts anders wollen wir uns heute beziehen als auf jene wunderbaren Feuerfeste, welche in den Gegenden des
nördlichen und mittleren Europas in alten Zeiten begangen wurden. In diesen Tagen war es, als jenes Fest in unseren
Gegenden, in Skandinavien, Schottland, England, innerhalb der Kreise der alten Kelten von ihren Priestern, den
sogenannten Druiden, vorzugsweise gefeiert worden ist.
Und was wurde da gefeiert?
Da wurde gefeiert, die zu Ende gehende Winterszeit und die sich nach und nach wieder ankündigende Frühlingszeit. Freilich
gehen wir noch, indem wir Weihnachten entgegentreten, dem Winter zu. Aber in der Natur kündigt da bereits ein Sieg an,
der eben für den Menschen das Wahrzeichen eines Hoffnungsfestes, oder besser gesagt-wenn wir das Wort gebrauchen, das
für das Fest fast in allen Sprachen vorhanden ist-, das Wahrzeichen eines Zuversichtsfestes, eines Vertrauens -und
Glaubensfestes sein kann. Der Sieg der Sonne über die ihr entgegenstrebenden Mächte der Natur: das ist das Wahrzeichen.
Wir haben sie gespürt, die immer kürzer und kürzer werdenden Tage. Und dieses Kürzerwerden der Tage ist uns ein
Ausdruck für ein Absterben, besser gesagt ein Einschlafen der Naturkräfte bis zu dem Tage, an dem wir das Weihnachtsfest
feiern und an dem unserer Vorfahren dasselbe Fest begingen. An diesem Tage fangen die Tage selbst an, immer länger und
länger zu werden. Das Licht der Sonne feiert seinen Sieg über die Finsternis. Das scheint uns heute, indem wir materialistisch
denken, viel mehr als wir glauben, als ein Ereignis, über das wir nicht mehr besonders nachdenken.
Diejenigen, die ein lebendiges Gefühl und eine mit dem Gefühl im Bunde stehenden Weisheit hatten, erschien es wie ein
lebendiger Ausdruck für ein geistiges Erlebnis der Gottheit selbst, die unser Leben lenkt. Wie, wenn in dem einzelnen
persönlichen Menschenleben ein wichtiges Ereignis stattfindet, das etwas entscheidet, so empfand man in jener Zeit eine
solche Sonnenwende als etwas Wichtiges im Leben eines höheren Wesens. Ja noch mehr: Nicht unmittelbar nur empfand
man dieses Kürzerwerden und wieder und wiederum Längerwerden der Tage als einen Ausdruck eines solchen
Lebensereignisses eines höheren Wesens, sondern mehr noch wie ein Erinnerungszeichen an etwas viel Größeres, etwas
Einziges. Und damit kommen wir auf den großen Grundgedanken des Weihnachtfestes als eines Weltenfestes, eines
Menschheitsfestes allererster Ordnung.

In den Zeiten, in denen es eine wirkliche Geheimlehre gegeben hat - nicht wie heute, wo sie von der äußeren
materialistischen Weltanschauung verleugnet wird, sondern in dem Sinne, daß sie als das Lebensblut allen Volkslebens
gewirkt hat-, in den Zeiten sah man zu Weihnachten etwas sich in der Natur ereignen, das wie ein Merkstein angesehen
wurde, wie ein Erinnerungszeichen an ein großes Ereignis, das einst auf diesem Erdenrund stattgefunden hat. Und die
Priester, welche ihre Getreuesten, diejenigen, die die Lehrer des Volkes waren, in diesen Tagen zur Mitternachtsstunde um
sich versammelten, suchten  ihren Getreuen ein großes Geheimnis zu enthüllen und sprachen ungefähr das Folgende zu
ihnen: Heute, sagten sie, sehen wir sich ankündigen den Sieg der Sonne über die Finsternis. So war es auch einmal auf
dieser Erde. Da feierte die Sonne den großen Sieg über die Finsternis.
Das geschah so: Bis dahin war alles Physische, alles leibliche Leben auf unserer Erde fast nur bis zur Tierheit gediehen. Was
auf unserer Erde als höchstes Reich lebte, das war erst auf der  Stufe sich vorzubereiten, die unsterbliche Menschenseele zu
empfangen. Dann kam in dieser Vorzeit ein Augenblick, ein großer Augenblick der Menschheitsentwicklung, da stieg von
göttlichen Höhen die unsterbliche, die unvergängliche Menschenseele herunter. Die Lebenswelle hatte sich bis zu jener Zeit
so entwickelt, daß der Menschenleib fähig geworden war, die unvergängliche Seele in sich aufzunehmen. Höher zwar, als die
materialistischen Naturforscher glauben, stand dieser Menschenvorfahr. Aber der geistige Teil, der unsterbliche Teil war noch
nicht in ihm. Er stieg erst herunter  von einem anderen, höheren Planeten auf unsere Erde, die nun der Schauplatz seines
Wirkens werden sollte, der Aufenthaltsort von dem, was nun unverlierbar für uns ist, von unserer Seele.
Die lemurische Rasse nennen wir diese Menschheitsvorfahren. Ihr folgte die atlantische Rasse und dann folgte die unsrige,
die wir die arische Rasse nennen. Innerhalb dieser lemurischen Rasse wurden die Menschenkörper befruchtet von der
höheren Menschenseele. Das „Herabsteigen der göttlichen Söhne des Geistes“ nennt die Geisteswissenschaft diesen großen
Augenblick der Menschheitsentwicklung. Seit jener Zeit formt und arbeitet im Menschenleib zu seiner höheren Entwicklung
die menschliche Seele. Entgegen der Anschauung der materialistischen Naturforscher geschah damals etwas im großen
Universum, was zu den wichtigsten Ereignissen unserer Menschheitsentwicklung gehört. Damals trat zuerst, nach und nach,
jene Konstellation ein, jene gegenseitige Stellung von Erde, Mond und Sonne, die den Herabstieg der Seelen möglich
machte. Die Sonne erhielt dazumal für den Menschen jene Bedeutung, welche sie für sein Wachstum, für sein Gedeihen auf
der Erde hat, und zu gleicher Zeit auch die Bedeutung, die sie für andere Geschöpfe hat, die zu ihm gehören, für Pflanzen
und Tiere. Nur wer geistig sich das ganze Werden von Menschheit und Erde klarmacht, wird diesen Zusammenhang von
Sonne, Mond und Erde mit den auf der Erde lebenden Menschen in der richtigen Weise einsehen. Es gab eine Zeit - so lehrte
man in diesen Zeiten -, da war die Erde noch eins mit der Sonne und dem Mond. Da waren sie noch ein Körper. Da waren
die Wesenheiten auch noch von anderer Gestalt und von anderem Aussehen als die heute auf der Erde lebenden, denn sie
waren dazumal angepaßt jenem Weltenkörper, der aus Sonne, Mond und Erde gemeinschaftlich bestand.

Alles, was auf dieser Erde lebt, erhielt seine Wesenheit dadurch, daß zuerst die Sonne und dann der Mond sich abtrennte,
und daß diese beiden Himmelskörper in eine äußere Beziehung zu unserer Erde traten. Und in dieser Beziehung liegt sogleich
das Geheimnis der Zusammengehörigkeit des Menschengeistes mit dem ganzen Universalgeist, den man in der
Geisteswissenschaft Logos nennt, und der die Sonne, den Mond und die Erde zu gleicher Zeit umfaßt. Darinnen leben, weben
und sind wir.
So wie die Erde herausgeboren ist aus dem Körper, der Sonne und Mond zugleich umfaßte, so ist der Mensch herausgeboren
aus einem Geiste, aus einer Seele, der Sonne, Mond und Erde zugleich angehören. Wenn der Mensch hinaufsieht zur Sonne,
hinaufsieht zum Mond,  soll er nicht nur diese äußeren physischen Körper sehen, sondern soll in ihnen sehen äußere Leiber
für geistige Wesenheiten. Das hat freilich der heutige Materialismus verlernt. Aber wer nicht mehr in der Sonne und im
Monde die Leiber von Geistern sehen kann, der kann auch nicht im Menschenleibe den Körper eines Geistes erkennen. So
wahr der Menschenleib der Träger eines Geistes ist, so wahr sind die Himmelskörper die Träger von geistigen Wesenheiten.
Zu diesen geistigen Wesenheiten gehört auch der Mensch. So wie sein Leib von Kräften, die in Sonne und Mond walten,
abgetrennt ist, und wie sein äußeres Physisches  doch Kräfte beherbergt, die in Sonne  und Mond tätig sind, so ist auch in
seiner Seele dieselbe Geistigkeit tätig, die auf Sonne und Mond herrscht. Und indem der Mensch auf der Erde dieses Wesen
geworden ist, ist er abhängig geworden von jener Wirkungsart der Sonne, in die sie eingetreten ist als ein besonderer, die
Erde bescheinender Körper. So fühlten sich die Altvorderen als geistige Kinder des ganzen Universums, und sie sagten sich:
Durch das, was durch den Sonnengeist in uns unsere Geistesform hervorgerufen hat, sind wir Menschen geworden. Der Sieg
der Sonne über die Finsternis bedeutet für uns zugleich eine Erinnerung an den Sieg, den dazumal, in den Zeiten, in denen
die Sonne zum ersten Mal so richtig geschienen hat, wie sie jetzt auf der Erde scheint, unsere Seele errungen hat. Ein
Sonnensieg war es, als die unsterbliche Seele dazumal im Zeichen der Sonne eintrat in den physischen Leib, sich
hineinsenkte in die Finsternis der Begierden, Triebe und Leidenschaften.
Stellen wir uns das Leben des Geistes einmal vor. Die Finsternis geht voran dem Sonnensieg. Und diese Finsternis folgte nur
auf eine frühere Sonnenzeit. So war es auch mit der Menschenseele. Diese Menschenseele geht hervor aus der
ursprünglichen Göttlichkeit. Aber sie mußte eine Zeitlang untertauchen in die Bewußtlosigkeit, um innerhalb dieser
Bewußtlosigkeit, die niedere Menschennatur aufzubauen; denn diese Menschenseele hat selbst diese niedere Menschennatur
aufgebaut, um dann dieses von ihr aufgebaute Wohnhaus zu bewohnen. Wenn Sie sich vorstellen, daß ein Baumeister ein
Wohnhaus baut, nach den besten Kräften, die in ihm selbst sind, und später in dasselbe einzieht, so haben Sie ein richtiges
Gleichnis für den Einzug der unsterblichen Menschenseele  in den Menschenkörper. Aber nur unbewußt konnte in jener Zeit
die Menschenseele an ihrem eigenen Wohnhaus arbeiten. Dieses unbewußte Arbeiten ist in dem Gleichnis ausgedrückt durch
die Finsternis. Und das Bewußtwerden, das Aufleuchten der bewußten Menschenseele, ist in dem Gleichnis ausgedrückt
durch den Sonnensieg.
So bedeutet dieser Sonnensieg für diejenigen, welche ein lebhaftes Empfinden von dem Zusammenhang des Menschen mit
dem Universum noch hatten, den Augenblick, in welchem sie das Wichtigste für ihr Erdendasein empfangen hatten. Dieser
große Augenblick, er wurde festgehalten in jener Feier.
Nun stellte man sich zu allen Zeiten den Gang des Menschen durch das Erdenwallen so vor, daß dieser Mensch immer
ähnlicher und ähnlicher wird dem regelmäßigen rhythmischen Gang der Natur selbst.
Blicken wir einmal von der Menschenseele auf zu dem, worin jetzt ihr Leben eingeschlossen ist, blicken wir auf zum Gang der
Sonne im Universum und zu allem, womit dieser Gang der Sonne in Verbindung ist, so wird uns etwas klar, was zu fühlen,
zu empfinden unendlich wichtig ist; das große Rhythmische, das große Harmonische im Gegensatz zu dem Chaotischen, zu
dem Unharmonischen in der eigenen Menschennatur. Blicken Sie hinauf zu Sonne, verfolgen Sie sie auf ihrem Wege, und Sie
werden sehen, wie rhythmisch, wie regelmäßig ihre Erscheinungen im Jahresgang und im Tagesablauf wiederkehren. Und
Sie werden sehen, wie regelmäßig und rhythmisch alles zusammenhängt unter dem Sonnenlauf in dem, was wir die Natur
nennen.
Indem die Weisen und ihre Anhänger zur Sonne hinaufblickten, sagten sie sich: Du bist das Bild dessen, was diese Seele, die
mit dir geboren ist, noch nicht ist, was sie aber werden soll. Die göttliche Weltenordnung eröffnete sich für diese Weisen in
ihrer ganzen Glorie. Das spricht auch die christliche Weltanschauung aus, indem sie ausspricht, daß die Glorie sein soll in den
göttlichen Höhen. Das Wort „ Glorie“ heißt Offenbarung, nicht Ehre!
Man sollte nicht sagen: Ehre sei Gott in der Höhe, sondern: Heute ist die Offenbarung des Gottes in den Himmeln. Das gibt
die Wahrheit des Satzes. Und in diesem Satz kann man voll empfinden, die die Welt durchflutende Glorie. In den früheren
Zeiten empfand man das so, daß man diese Weltenharmonie als großes Ideal hinstellte für den, der Führer sein sollte für die
übrige Menschheit. Deshalb sprach man zu allen Zeiten und überall da, wo man ein Bewußtsein von diesen Dingen hatte, von
dem Sonnenhelden. Wer im Geiste eine so sichere Bahn gefunden hatte wie die Sonne draußen im Universum, den nannte
man einen Sonnenhelden. Und solche Sonnenhelden hatten alle Völker.
Was dachte man sich, was in der Seele eines solchen Helden geschah, der eine solche innere Harmonie gefunden hatte?
Das stellte man sich so vor, daß nun nicht mehr nur eine einzelne individuelle Menschenseele in ihm lebt, sondern daß in
einem solchen etwas aufgegangen war von der universellen Seele, die das ganze Universum durchflutet. Diese
Universalseele, die das ganze Universum durchflutet, nannte man in Griechenland Chrestos, und sie ist bei den erhabensten
Weisen im Orient als die Buddhi bekannt. Wenn der Mensch aufgehört hat, sich nur zu fühlen als der Träger seiner
individuellen Seele und etwas in sich erlebt von dem Universellen, dann hat er in sich selbst ein Abbild geschaffen dessen,
was sich damals als Sonnenseele mit dem Menschenleibe verband; dann hat er etwas ungeheuer Bedeutungsvolles auf der
Bahn der Menschheit erreicht.
Wenn einst die Triebe, Instinkte und Leidenschaften geläutert, rein und ideal geworden sind, was man die Buddhi, was man
den Chrestos nennt, wenn sie ausgebildet sind zu jener Höhe, auf der heute das logische, leidenschaftslose Denken steht,
dann wird das erreicht sein, was uns in den alten Weisheitsreligionen, im Christentum, in der anthroposophischen
Geisteswissenschaft als das eigentliche Menschheitsideal entgegenleuchtet.

Wenn unser Denken und Fühlen so geläutert ist, daß das, was einer fühlt, harmonisch zusammenklingt mit dem, was andere
fühlen, wenn auf dieser Menschenerde für das Gefühl und die Empfindung dieselbe Epoche gekommen sein wird, wie sie
gekommen ist für den uniformierenden Verstand, wenn Buddhi auf dieser Erde, der Chrestos, verkörpert sein wird im
Menschengeschlecht, dann wird das Ideal der alten Weisheitslehrer, des Christentums, der Anthroposophie, erfüllt sein.
Dieses im Zusammenhang mit dem ganzen Universum zu erfühlen und zu empfinden, unsere Erkenntnis, unser Denken dazu
zu gebrauchen, sich nicht in unbestimmter, sondern in allerbestimmtester Weise eins zu fühlen mit dem ganzen Universum,
dazu sind die großen Feste als Wahrzeichen für die Menschheit da. Und wenn man davon wieder etwas empfindet, dann
werden diese Feste wieder etwas anderes sein, als sie heute sind, dann werden sie sich wieder lebendig einpflanzen in Seele
und Herz, dann werden sie uns dasjenige sein, was sie uns wirklich sein sollen: Knotenpunkte des Jahres, die uns verknüpfen
mit dem Geiste des Alls.
Die anthroposophische Geisteswissenschaft will dazu beitragen, daß dieses Fest wieder so verstanden wird. Nicht ein Dogma,
nicht eine bloße Lehre oder eine Philosophie wollen wir in die Welt hineinsenden, sondern Leben. Das ist unser Ideal, daß
alles das, was wir sagen und lehren, was in unseren Schriften, in unserer Wissenschaft enthalten ist, ins Leben übergeht. Es
wird ins Leben überfließen, wenn der Mensch auch im Alltäglichen überall Geisteswissenschaft übt, sodaß wir nicht mehr von
Geisteswissenschaft zu sprechen brauchen, wenn von allen Kanzeln geisteswissenschaftliches Leben ertönt durch die Worte,
die zu den Gläubigen gesprochen werden, ohne daß dabei das Wort Geisteswissenschaft ausgesprochen wird. Wenn in allen
Gerichtstätten mit geisteswissenschaftlichem Empfinden auf die Taten der Menschen gesehen wird, wenn am Krankenbett der
Arzt geisteswissenschaftlich empfindet und geisteswissenschaftlich heilt, wenn in der Schule der Lehrer Geisteswissenschaft
für das heranwachsende Kind entwickelt, wenn auf allen Straßen geisteswissenschaftlich gedacht, gefühlt und gehandelt wird,
sodaß die geisteswissenschaftliche Lehre überflüssig geworden ist, dann ist unser Ideal erreicht, dann wird
Geisteswissenschaft eine Alltäglichkeit sein. Und es wird der Mensch sein Alltägliches anknüpfen an das Geistige durch das
geisteswissenschaftliche Denken, Fühlen und Wollen. So wird er anderseits das Ewige und Unvergängliche, die Geistessonne
hineinleuchten lassen in seine Seele an den großen Festtagen, die ihn erinnern werden, daß in ihm eine Wahres, ein höheres
Selbst, ein Göttliches, ein Sonnenhaftes, ein Lichtvolles ist, das immerdar siegen wird über alles Dunkel, über alles Chaos,
welches einen Seelenfrieden gibt, der immer ausgleichend wirken wird gegenüber allem Kampf, allem Krieg und allem
Unfrieden in der Welt.