Es wird notwendig sein, uns daran zu erinnern, daß der Christus Jesus, der später vor uns steht und von
dem das Lukas-Evangelium handelt, leiblich als der nathanische Jesus aus dem davidischen Haus
geboren ist.
Dieses Kind wächst heran bis ungefähr zum 12.Lebensjahr. Da tritt in seinen Leib jenes Ich ein, das sich bis
zu diesem Zeitpunkt im salomonischen Jesus herangebildet hatte. Es ist dasselbe Ich, das einstmals in dem
Wesen verkörpert war, das die persische Kultur eingeleitet hat, in dem Zarathustra, sodaß wir vom
12.Lebensjahr an in dem Leib des nathanischen Jesus das Ich des Zarathustra haben.
Wir haben zu beachten, daß wir vom 1.bis zum 12.Lebensjahr den leiblichen nathanischen Jesus vor uns
haben, daß vom 12.Lebensjahr an in diesem das Ich des Zarathustra lebt.
Was heißt das?
Das heißt nichts anderes, als daß vom 12.Lebensjahr an dieses reife Ich an Empfindungsleib,
Empfindungsseele und Verstandsseele des nathanischen Jesus arbeitet und diese Glieder der menschlichen
Natur so ausgestaltet, wie nur ein so reifes Ich wie das Zarathustra - Ich die menschlichen Fähigkeiten
ausarbeiten kann.
So haben wir die wunderbare Tatsache vor uns, daß sich im 12.Lebensjahr in den Leib des nathanischen
Jesus das Zarathustra-Ich hineinverkörpert, das die Fähigkeiten dieser Seele  in der denkbar feinsten Weise
ausarbeitet:
· Es entwickelt einen Empfindungsleib, der imstande ist, in den Kosmos so zu schauen, daß er die
Empfindung von dem nahenden Ahura Mazda hat;
· es entwickelt eine Empfindungsseele, die eine Weisheit in sich trägt, die sich auf der Grundlage
der Weisheit von Ahura Mazda entfaltet;
· es entwickelt eine Verstandesseele, die all das begreifen und in leicht faßbare Worte kleiden
kann, was die Menschheit erlangt hatte.
So entwickelt sich dieser nathanische Jesus mit dem Zarathustra-Ich in sich, bis das 30.Lebensjahr
herannaht und sich eine neue Tatsache geltend macht. Jene Erscheinung, die schon im 12.Lebensjahr bei
dem nathanischen Jesus aufgetreten war, daß nämlich sein Innerstes mit einem neuen Ich ganz erfüllt
wurde, tritt noch einmal ein - jetzt in einer größeren, bedeutsameren und universelleren Weise.
Gegen das 30.Lebensjahr sehen wir, wie das Zarathustra-Ich seine Aufgabe, seine Mission bei dem
nathanischen Jesus vollendet hat. Da hat es all das, was es durch frühere Verkörperungen erlangt hatte, in
diese Seele hineingearbeitet, da hat es die erlangten Fähigkeiten in feinster Weise in ihr ausgearbeitet. Da
kann es sagen: Meine Aufgabe ist erfüllt. Und eines Tages verließ das Zarathustra-Ich den Leib des
nathanischen Jesus.
Dieses Zarathustra-Ich hatte bis zum 12.Lebensjahr im Leib des salomonischen Jesus gelebt. Der
salomonische Jesus hatte sich nicht weiterentwickeln können, er blieb, weil ihn das Zarathustra-Ich
verlassen hatte, auf dem Entwicklungsstand stehen, auf dem er war - er war bis zu einer hohen Reife
gelangt. Hätten wir diesen Knaben äußerlich beobachten können, so hätten wir gefunden, daß er in hohem
Maße ein frühreifes, frühentwickeltes Kind war.
Es blieb aber stehen von dem Moment an, als das Ich es verließ. Als der Zeitpunkt herannahte, wo die
Mutter des nathanischen Jesus starb, starb auch er salomonischen Jesus in dieser Zeit.


Als für den nathanischen Jesus das 30.Lebensjahr herannahte, verließ das Zarathustra-Ich den Leib des
nathanischen Jesus.
Das Zarathustra-Ich, das bis zum 30.Lebensjahr den Leib des nathanischen Jesus belebt hatte, war jetzt
außerhalb dieses Leibes. Ein anderes Wesen trat in diesen Leib ein und der Zeitpunkt, da ein anderes
Wesen eintrat, da ein höchstes Ich in den nathanischen Jesus einzog, dieser Zeitpunkt wird in allen
Evangelien als der bei der Johannistaufe im Jordan charakterisiert. In jenen älteren Zeiten war die Taufe
etwas ganz anderes als später. Die Taufe wurde anders vorgenommen. Die da getauft wurden, wurden mit
ihrem ganzen Körper in das Wasser eingetaucht.  Wir wissen, daß bei solchen Ereignissen Besonderes
geschehen kann - wie wenn der Mensch dem Ertrinken nahe ist, er einen Schock bekommt und sein
bisheriges Leben wie ein großes Tableau vor seiner Seele dasteht. Da geschieht für einen Augenblick, was
sonst nur durch den Tod eintritt: Der Ätherleib wird herausgehoben, er wird frei von der Gewalt des
physischen Leibes.
Das vollzog sich bei den meisten Täuflingen und vor allem bei der Taufe des nathanischen Jesus. Der
Ätherleib wurde aus dem physischen Leib herausgezogen und die Folge war, daß jenes höchste Wesen, das
wir das Christus-Wesen nennen, in diesem Moment in den Ätherleib des nathanischen Jesus untertauchen
konnte, von dem Ätherleib des nathanischen Jesus Besitz ergreifen konnte.
Das bedeuten die Worte, die in den älteren Handschriften der Evangelien stehen, die da vom Himmel
ertönen: Dieser ist mein vielgeliebter Sohn, heute habe ich ihn gezeugt. So lautet dieser Satz in den älteren
Handschriften der Evangelien, und so sollte er auch in unseren Evangelien stehen. Das heißt, es ist jetzt
„gezeugt“ der Sohn des Himmels, der Christus.  Der Befruchter ist die einheitliche Gottheit, die durch die
Welt west. Der Empfangende ist der Ätherleib des nathanischen Jesus, der vorbereitet ist, der fähig ist, den
Befruchtungskeim  von den Höhen herab zu empfangen.
Wer ist dieses Wesen, das sich damals mit dem Ätherleib des nathanischen Jesus vereinigte, dieses
Christus-Wesen?
Wir können es nicht verstehen, wenn wir unsere Blicke bloß auf die Erdenentwicklung lenken. Dieses
Christus-Wesen ist das, was wir den Führer jener geistigen Wesen nennen, die damals, als die Sonne sich
von der Erde trennte, mit der Sonne aus der Erde herausgingen, sich einen höheren Schauplatz auf der
Sonne begründeten und von da aus von außen, auf die Erde wirkten.
Wenn wir uns in die vorchristliche Erdenzeit zurückversetzen, so müssen wir sagen: Wenn damals der
Mensch zur Sonne hinaufschaute, so hatte er das zu empfinden, was Zarathustra ihn gelehrt hatte. Er hatte
zu empfinden: Was als Sonnenlicht und Sonnenwärme von außen zu uns dringt, das ist nur das äußere
physische Kleid für die wohltätigen Wirkungen, die von der Sonne zu uns strömen. Dahinter verbirgt sich
das, was die geistigen Kraftstrahlen sind, die von der Sonne auf die Erde dringen.
Jenes Wesen, das der Führer der Sonnenwesen ist, das ist das Wesen, das später der Christus genannt
wurde. Man hatte es in der vorchristlichen Zeit nicht auf der Erde zu suchen, man hatte es auf der Sonne
zu suchen. Und Zarathustra hatte recht, wenn er Ahura Mazda auf die Sonne versetzte. Er sagte: Auf der
Erde finden wir nicht diesen Lichtgeist. Wenn wir auf die Sonne schauen und empfinden, daß da Geist lebt,
dann ist das Sonnenlicht der Leib
des Ahura Mazda.
Im Lauf der Zeit kam dieses Wesen der Erde immer näher. Man konnte hellsehend immer mehr die
Annäherung des Christus an die Erde verspüren.
Ein deutliches Erkennen dieses Christus trat ein, als Moses, der Vorgänger des Christentums, auf dem Sinai
seine Offenbarung im Blitzesfeuer erhielt. Das bedeutet, daß das, was sich als Christus der Erde näherte,
zunächst in einem Spiegelbild erschien.
Denken wir uns den Vorgang vergeistigt, den wir jede Vollmondnacht wahrnehmen. Blicken wir zum
Vollmond hinauf, da sehen wir die Sonnenstrahlen gespiegelt, vom Vollmond her zurückgeworfen. Es ist
Sonnenlicht, das uns da entgegenströmt.
Der Christus wurde damals Jahve oder Jehova genannt. Jahve ist nichts anderes als die Wiederspiegelung
des Christus, bevor dieser selbst auf der Erde erscheint. Er sollte eine Zeit lang selbst auf der Erde wandeln,
Mensch unter Menschen sein, direkt menschlicher Mitbewohner unserer Erde sein. Dazu mußte der richtige
Zeitpunkt kommen.
Daß der da war, dieser Christus, hat man immer gewußt, wo man die Weisheit der Welt durchdrang. Man
hat ihn mit den verschiedensten Namen benannt, weil er sich in der verschiedensten Weise offenbarte.
Aber, es mußte die Zeit kommen, wo die Menschenentwicklung so vorbereitet war, daß ein Menschenleib
dieses Wesen aufnehmen konnte. Dazu mußte erst ein solches Wesen, wie es in Zarathustra lebte, von
Verkörperung zu Verkörperung heranreifen, um die Fähigkeiten des Empfindungsleibes, der
Empfindungsseele und der Verstandesseele so auszubilden, so vorzubereiten, daß diese reif wurden, dieses
hohe Wesen aufzunehmen.
Zum Verständnis dessen, was uns der Schreiber des Lukas-Evangeliums von der Wirksamkeit des Christus
Jesus erzählt - jener Individualität, die drei Jahre auf der Erde wirkte und die den Christus innerhalb eines
menschlichen Leibes darstellt -, um zu verstehen, was uns über diese Persönlichkeit erzählt wird, ist es aber
notwendig, daß wir noch einmal mit einigen Strichen auf die Menschheitsentwicklung hinweisen und
Eigenschaften berücksichtigen von denen sich unsere Zeit sehr schwer einen Begriff machen kann.
Unsere Menschheit hat ihren Ausgang von der großen atlantischen Katastrophe genommen. Unsere
eigenen Seelen haben in anderen Leibern in der alten Atlantis gelebt, auf jenem Kontinent, den wir
zwischen Europa, Afrika und Amerika zu suchen haben. Die große Katastrophe, die Sintflut hat dann das
Antlitz der Erde völlig verändert, und große Massen von Menschen sind vom Westen nach dem Osten
gezogen und haben Europa, Asien und Afrika so besiedelt, wie wir das schon öfter geschildert haben.
Dann entstanden in der nachatlantischen Zeit die aufeinanderfolgenden Kulturperioden, die wir bezeichnen
als die altindische Kultur, als die altpersische Kultur, als die chaldäisch-ägyptisch-babylonisch-assyrische
Kultur, als griechisch-lateinische Kultur und endlich diejenige Kultur, in der wir leben.
Man macht sich eine ganz falsche Vorstellung vom Menschen, wenn man glaubt, daß der Mensch während
dieser langen Zeiträume der nachatlantischen Entwicklung immer so beschaffen war, wie er heute ist. Er
hat sich immer wieder verändert.
Wenn wir aber das Lukas-Evangelium verstehen wollen, dann müssen wir eine ganz andere Eigenschaft
unserer Vorfahren hervorheben.
Wenn wir einen altindischen Leib mit einem heutigen Leib vergleichen, so können wir sagen: Bei dem alten
Inder war der Ätherleib noch verhältnismäßig frei - nicht nur der Ätherleib, sondern auch der Astralleib. Die
Seele konnte Kräfte entwickeln, die in den physischen Leib hineinwirkten. Die Folge davon war, daß die
Kräfte, die die Seele in der alten Zeit entfaltete, in ungeheurem Maße auf den physischen Leib wirkten. So
wirkten Worte, je nachdem sie ausgesprochen wurden- im Bösen oder Guten - auf die ganze Konstitution,
bis in die Vorgänge des physischen Leibes hinein.
Heute ist das anders, heute wirken die Worte nur auf die Seele. Es ist heute in den seltensten Fällen
möglich, daß ein äußeres Wort physische Wirkungen erzielt.
Aber, es wird in Zukunft das Seelisch-Geistige wieder eine größere Gewalt über das Physische gewinnen.
In den alten Zeiten der indischen Kultur war das, was man Heilen nennt, etwas anderes als später, weil
man unmittelbar Wirkungen erzielen konnte. Diese Wirkungen sind von Kultur zu Kultur zurückgegangen,
weil alle Kulturen eine andere Mission zu erfüllen hatten.
Heute ist die Menschheit auf einem absteigenden Weg ihrer Entwicklung, auf dem die geistigen Wirkungen
immer mehr zurückgegangen sind. Wir sind am Tiefpunkt dieser geistigen Entwicklung. Nur ganz allmählich
können wir uns hinaufleben zu den Höhen, auf denen wir einstmals gestanden haben.
Weil sich die Seele immer mehr verschloß, weil sie immer weniger Gewalt über die physische Organisation 
hatte und in sich immer mehr das Selbstbewußtsein ausbilden sollte, deshalb mußte mit jener persischen
Kultur eine andere zusammenströmen, die vorzugsweise auf innerliche Vertiefung angelegt war.
Eine Art von Ausgleich finden beide Strömungen in der griechisch-lateinischen Kultur. Das ist die vierte
Kulturströmung. Da ist die Menschheit so weit in das Physische hinuntergestiegen, daß eine Art
Gleichgewicht zwischen dem Physischen  und dem Seelischen besteht. Geist und Seele haben da ungefähr
so viel Herrschaft über das Physische wie das Physische über Geist und Seele. Es ist eine Art Gleichgewicht
zwischen dem Seelischen und dem Materiellen. Damals ist die Menschheit bis zu diesem
Gleichgewichtszustand heruntergestiegen. Jetzt muß sie aber eine Art Weltprüfung durchmachen, um
wieder zu den geistigen Höhen hinaufzusteigen.
Der Mensch wurde in unserer 5.Kulturperiode noch weiter in die Materie hinuntergetrieben - unter den
Gleichgewichtszustand -, und er kann sich nur  in die geistige Welt wieder erheben, indem er sich innerlich
stärkt.
So sehen wir in der griechisch-lateinischen  Kultur einen Gleichgewichtszustand. In unserer Zeit hat das
Physische das Übergewicht erlangt und das Geistig-Seelische ist in gewisser Beziehung ohnmächtig
geworden. Nach und nach muß aber das Seelische so stark werden, daß es wieder die Kraft erlangt, die
Herrschaft über das Physische auszuüben.
Dafür ist es notwendig, die geisteswissenschaftlichen Wahrheiten im Inneren immer lebendiger werden zu
lassen, sodaß sie imstande sein werden, immer mehr die Seele zu erwärmen. Dann wird die
Geisteswissenschaft die Seele so stark machen, daß diese die Herrschaft über das Physische gewinnen wird.
Die Menschheit muß sich langsam wiedererobern, was sie verlieren mußte: die Herrschaft des Geistig-
Seelischen über das Materielle, über das Physische. Langsam ist es in der Menschheitsentwicklung
verlorengegangen, langsam kann es wiedererobert werden.

Es waren in der griechisch-lateinischen Zeit noch Menschen da, die jenes Erbstück hatten, die noch für
seelisch-geistige Wirkungen zugänglich waren. Deshalb mußte gerade in dieser Zeit der Christus Jesus
erscheinen.
Würde er in unserer Zeit erscheinen, könnte er nicht so wirken, wie er gewirkt hat. Er würde auf eine
menschliche Organisation treffen, die viel tiefer in die physische Materialität hineingetrieben ist. Er müßte
heute in eine physische Organisation hineingehen, in der mächtige Wirkungen wie damals nicht mehr
erfolgen könnten.
Das gilt aber nicht nur für den Christus Jesus, das gilt für alle ähnlichen Erscheinungen. Wir verstehen die
Entwicklung der Menschheit nur, wenn wir sie von diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Das gilt auch für
den Buddha. Er hat als Erster die Lehre von der Liebe und dem Mitleid hingestellt, die im Gesetz des
achtgliedrigen Pfades beschrieben ist.
Wenn Buddha heute erscheinen würde, könnte er das in derselben Weise hinstellen?
Nein, heute wäre eine physische Organisation nicht möglich, die den Bodhisattwa jene Entwicklung
durchmachen ließe, wie er sie damals durchgemacht hat. Die menschliche Organisation ändert sich
fortwährend. Es mußte der Zeitpunkt genau eingehalten werden, es mußte die damalige Organisation
benutzt werden, damit der Bodhisattwa einmal die gewaltige Lehre des achtgliedrigen Pfades hinstellen
konnte. Jetzt ist die Menschheit darauf angewiesen, sich nach und nach diesen achtgliedrigen Pfad
anzueignen.
Nur langsam kann die Menschheit hinaufsteigen, um zu verstehen, was hinter der Lehre des achtgliedrigen
Pfades liegt. Das mußte zunächst einmal hingestellt werden. Von dem nimmt die Menschheit den
Ausgangspunkt und erlanget nach langer Zeit das, was einmal vorbildlich hingestellt worden ist. So stand
der Buddha in der Welt da und brachte die Lehre von dem Mitleid und der Liebe als Wahrzeichen für
kommende Geschlechter.
Die Menschheit im Allgemeinen geht langsam hinauf, sie erreicht viel später als die Vorläufer das, was ihr zu
erreichen vorgegeben ist. So tief müssen wir in die Menschheitsentwicklung hineinschauen, wenn wir sie
begreifen wollen. In demselben Maße, wie der achtgliedrige Pfad  Eigentum der Seele wird, in demselben
Maße wirkt er zurück auf das Physische.

Der Christus mußte erscheinen, als noch genügend Menschen da waren, die sehen konnten, wie das
Seelisch-Geistige auf das Physische wirkt. Eine solche gewaltige Erscheinung wie der Christus mußte gerade
zu jener Zeit in die Welt eintreten.
Das bedeutet, daß der Mensch lernt, sein ganzes Selbstbewußtsein mit dem Christus zu durchdringen,
indem er versteht, daß sein Ich ganz und gar die Herrschaft über alles gewinnt, was in ihm ist. Das
bedeutet das Hereintreten des Christus. Dieses, seiner selbst bewußtes Ich  wird es sein, das sich allmählich
wieder erobert, was der Menschheit verlorengegangen ist. Aber, es mußte zuerst einmal da sein, es mußte
einmal vor Ablauf der alten Zeit hingestellt werden.
Aber, die Menschheit fängt nach und nach an, vom Ich ausgehend das wieder zu entwickeln, was ihr
verlorengegangen ist. Denn der Christus ist das Prinzip des Ich. Das zeigt uns der Schreiber des Lukas-
Evangeliums: Wie mächtig dieses Ich, das voll in dem Christus vorhanden ist, auf die Menschen wirkt. Er
zeigt uns: Jetzt tritt der Christus in die Welt ein, ein Ich, das den Astralleib, den Ätherleib und den
physischen Leib des Menschen so durchdringt, daß von ihm Wirkungen in sie eintreten, die sie gesundend
beeinflussen.
In der Zeit aber, in der der Christus Jesus auf der Erde erschienen ist, da waren noch zahlreiche Menschen
vorhanden, bei denen Sünden  und auch schlechte Eigenschaften des Charakters sich in Krankheiten
äußerten.
Das Lukas-Evangelium zeigt uns, wie solche Menschen durch die Nähe jener mächtigen Individualität des
Christus Jesus geheilt werden, wie das Böse aus ihnen ausgetrieben wird, wie diese Individualität läuternd
und reinigend wirkt. Das wird als ein Vorbild für das hingestellt, was am Ende der Erdenentwicklung
allgemein sein wird. Da werden die guten Eigenschaften des Menschen gesundend wirken.
Und so verstehen wir das Lukas-Evangelium in seiner Tiefe: Es spricht nicht von einer Lehre, es spricht von
einem Wesen, das die Liebe substantiell ausströmen läßt. Das ist eine Tatsache, die man überall da, wo
man sie kennt, dadurch ausdrückt, daß man sagt: Die Bodhisattwas, die zum Buddha werden, können aber
niemals den ganzen Menschen erlösen. Ganz erlöst kann der Mensch nur werden, wenn die Liebeskraft
seine ganze Organisation durchströmt, wenn die Seele durch die Flut von Liebe erlöst wird, die derjenige
gebracht hat, der die Aufgabe hat, die Liebeskraft, das Liebesfeuer in die Welt zu bringen. Die Weisheit der
Liebe zu bringen, war die Aufgabe des Buddha; die Kraft der Liebe zu bringen, war die Aufgabe des
Christus.

Wie kommt es, daß die buddhistische Geistesströmung sich organisch in die christliche Lehre
hineingewoben hat, wie kommt es, daß in dieser Lehre keine Andeutung von dem großen Gesetz des
Lebens, von dem Karmagesetz, von dem Ausgleich, der in den einzelnen Verkörperungen des Menschen
geschieht?
Es wäre ein Mißverständnis, wenn man glaubte, daß das nicht auch in der Verkündigung des Lukas-
Evangeliums lebt. Es lebt darin, nur müssen wir uns klar sein, daß die Bedürfnisse der menschlichen Seelen
zu verschiedenen Zeiten verschieden sind und daß in der Weltentwicklung die großen Lehrer nicht die
Aufgabe haben, immer nur die absolute Wahrheit in abstrakter Gestalt der Menschheit zu geben, - denn
die würde sie gar nicht verstehen können - , sondern gerade so zu den Menschen zu sprechen, daß die
Menschheit das für jede Epoche Richtige erhält.
Derjenige, der von den Fähigkeiten durchströmt, die ihm die Geisteswissenschaft gibt, sich in die eigene
Seele versenkt, empfindet die Lehre von Karma und Wiederverkörperung als eine notwendige Lehre. Aber
erst in unserer Zeit ist die Seele reif geworden, das bewußt aufzunehmen. Es wäre nicht gut gewesen,
wenn auch nur ein Jahrhundert früher diese Lehre exoterisch (allgemein) verkündet worden wäre.
Hätte man in den ersten Jahrhunderten des Christentums Karma und Wiederverkörperung verkündet, so
hätte das geheißen, von der Menschheitsentwicklung dasselbe zu verlangen, wie wenn man verlangen
würde, daß aus der Wurzel der Pflanze unmittelbar die Blüte hervorwachsen soll.
Die Menschheit ist erst heute herangereift, die Evangelien zu verstehen, sie ihren geistigen Inhalt nach zu
verstehen. Das Evangelium ist in gewissem Sinne verfrüht der Menschheit übergeben worden, erst heute
reift sie heran, das Evangelium zu verstehen.
Es war notwendig, daß die Verkündigung des Christus Jesus auf die damalige Verfassung der menschlichen
Seele Rücksicht nimmt, daß man damals nicht abstrakt die Lehre von Wiederverkörperung und Karma lehrt,
nicht die Lehre selbst gibt, sondern Gefühle  in die menschliche Seele strömen läßt die nach und nach die
Menschen reif machen, zum Verständnis der Lehre von Karma und Wiederverkörperung  geführt zu
werden.

Dazu sagte es der Christus Jesus denen, die um ihn waren: (Lukas-Evangelium 6,20-23)
Selig seid ihr, die ihr arm seid, denn euch wird das Reich des Geistes werden.
Selig seid ihr, die ihr da hungert, denn ihr werdet gesättigt werden.
Selig seid ihr, die ihr da weint, denn ihr werdet lachen.
Selig seid ihr, die ihr von den Menschen gehaßt werdet, die euch abstoßen und euch schelten     
           euren Namen verwerfen als einen boshaftigen um des Menschsohnes willen.
Freut euch alsdann und hüpfet, denn euer Lohn ist groß in der geistigen Welt.

Hier haben wir die Lehre vom Ausgleich, ohne abstrakt darauf einzugehen. Die Seelen, die damals lebten,
haben sich wiederverkörpert und sind reif geworden, die Lehre vom Karma und Wiederverkörperung
aufzunehmen. So mußte damals als Kraft, als Leben das hinüberfließen, was in die Seelen fließen soll.
Denn, es war eine völlig neue Zeit gekommen, in der die Menschheit sich anschickte, das Ich, das
Selbstbewußtsein zu entwickeln. Nur jenes selbstbewußte Ich konnte das allumfassende Christus-Prinzip in
sich aufnehmen, das auf die Erde herunterstieg. Das konnte nur der nathanische Jesus, der in Palästina
wandelte und von dem Ich des Zarathustra beseelt war. Die Menschheit muß sich erst nach und nach zu
dem entwickeln, was damals in den drei gewaltigen Jahren auf der Erde geschah. Damals wurde eine Kraft
als Keim in sie verpflanzt. Dieser Keim muß wachsen, sich nach und nach entfalten.
Es mußte damals ein Ereignis hingestellt werden, das sich vor aller Augen abgespielt hatte, sich auf dem
großen Schauplatz der Weltgeschichte ereignete. Das, was sich durch Jahrtausende hindurch in
unterirdischen Tempeln, das Hindurchgehen durch den mystischen Tod ereignete, mußte in die Welt
hinausgetragen werden. Das wurde in die Welt hinausgetragen und stand auf Golgota als ein einzigartiges
Ereignis da. Es trat vor die ganze Menschheit hin, was vor die Eingeweihten während dreieinhalb Tage der
Einweihung hintrat. Daher mußte das der Schreiber, der es schildern konnte, als die umgewandelte
Einweihung schildern - als das, was die Einweihung war, vor die Weltgeschichte hingestellt.
Das, was früher nur wenige Eingeweihte in den Tempeln während der dreieinhalb Tage in einem
totenähnlichen Zustand gesehen hatten, was sie dadurch gewonnen hatten, nämlich die Überzeugung des
Sieges des Geistes, daß das Geistige das Leibliche überwinden wird, das sollte sich einmal für die äußeren
Augen vor der ganzen Menschheit abspielen.
Eine Einweihung, auf den Plan der Weltgeschichte hinausgetragen - das ist das Ereignis von Golgota. Damit
ist diese Einweihung aber nicht nur für diejenigen vollzogen, die zugegen waren, sie ist für die ganze
Menschheit vollzogen. Das, was von da ausströmte, strömte nicht bloß auf die Umstehenden, es strömte in
die ganze Menschheit ein.
Ein Strom des geistigen Lebens geht von den Blutstropfen aus, die auf Golgota aus den Wunden des
Christus geflossen sind. Als Kraft, als Leben sollte von Golgota ausfließen, was von den Propheten als
Weisheit ausgeflossen war.
Das Blut ist der äußere Ausdruck des menschlichen Ich. Die Menschen hätten das Ich immer stärker
gemacht, aber ohne die Erscheinung des Christus wären sie in eine Entwicklung des furchtbarsten
Egoismus hineingeraten. Davor wurden sie bewahrt - und was mußte dazu ausfließen?
Das Überschüssige des egoistischen Ich mußte ausfließen. Das hat begonnen, als auf dem Ölberg die
Blutschweißtropfen flossen, bis dann aus den Wunden des Erlösers die Blutstropfen herunterrannen. Was
da geflossen ist, ist das Zeichen für das Überschüssige des Egoismus im Blut, in der Menschennatur. Das
mußte fließen, das ist das Opfer auf Golgota.
Wenn das egoistische Blut der Menschheit nicht fortgeflossen wäre, wäre die Menschheit im Egoismus
verkommen. Unendliche Liebe ist dem Blut beigemischt, das auf Golgota floß.
Die okkulte Forschung findet, daß die Liebe das Blut des Erlösers ganz durchdrang.
Der Schreiber des Lukas-Evangeliums nimmt wahr, was die ausströmende Liebe des Christus spricht. Dieser
verzeiht auch da, wo ihm das Furchtbarste angetan wird, er läßt vom Kreuz auf Golgota die Worte ertönen,
die der Ausdruck des Liebesideals sind: Verzeihung für das Ärgste, was einem angetan wird.

Vater vergib ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun.

Verzeihung bietet der Erlöser der Menschheit am Kreuz dar. Verzeihung erfleht vom göttlichen Vater
derjenige, der das Mysterium von Golgota vollzieht - aus einer überströmenden Liebe für diejenigen, die ihn
gekreuzigt haben.
Und auch die Macht des Glaubens wird bekräftigt, des Glaubens, daß es in der menschlichen Natur etwas
gibt, was jene Liebe ausströmen lassen kann, die den Menschen der Sinnenwelt entreißt.
Es ist die Aufgabe der menschlichen Seele, das, was gerade durch eine solche Urkunde wie das Lukas-
Evangelium verkündet wird, immer besser zu verstehen, damit für die menschliche Seele immer besser
verständlich wird, was in diesen drei Worten lebt, die vom Kreuz heruntertönen. Dann, wenn die Menschen
so fühlen, können sie so weit kommen, daß ihnen nicht mehr eine tote Mitteilung, sondern ein lebendiges
Wort vom Kreuz auf Golgota zuströmt.
Buddha, Zarathustra, Jesus, Christus.
        Jesus von Nazareth wird zum Träger des Christus